Ein kleiner atmosphärischer Blick in das Atelier und auf die Staffelei, auf der links die werdende Ikone steht, mittig ein sehr guter Vorlagendruck und rechts die Ikone, welche bereits fertig ist und die Sie im Internet gefunden hatten. Übrigens, ich vergaß Sie darauf hinzuweisen (das tue ich sonst immer) und hole dies nun nach: Sie haben bei Fertigstellung dieser Anfertigung die freie Wahl, welche von beiden Ikonen Sie erhalten möchten. Da ich immer bestmöglich arbeite, ist es mir gleich, welche Ikone ich schlussendlich als Modell behalte.
Die Farben der Ikone sind nun definiert und aufgetragen. Im weiteren Verlauf geht es um die Ausarbeitung der einzelnen Farbflächen, welche Gewänder, Berge, Untergrund, Bäume und andere kleine Details beinhalten werden. .  
Die Zeichnung der Falten und anderer Details wurden aufgetragen (links). Anschließend wurde die Grundfarbe der Haare gelegt (Mitte) und in weiteren Schritten lasiert, sodass sich die Haare noch besser von den umgebenden Farben abheben. Die Gesichter erhalten erste Ausdrücke und individuelle Bärte. Die Baumstämme wurden weiter definiert. Auch die Berge im Hintergrund bekommen so langsam erste Strukturen (rechts).
 Mit Geduld und ruhiger Hand wird Blatt für Blatt der Bäume in einem dunkleren Ton auf das Gold gemalt. So erhalten auch die Bäume ihre ersten Strukturen und Formen.

Bei genauem Hinsehen ist erkennbar, dass der innere dunkle Kreis hinter der Christusfigur nach innen mittels vieler, feiner Striche nachgedunkelt wird. Dies wird im Endergebnis kaum noch auszumachen sein, doch wird es Einfluss auf den fertigen Ausdruck der Ikone haben!
Die einzelnen Segmente der Mandorla erhalten Lasuren.
rechts: feine helle Linien separieren zusätzlich die inneren Kreise. Die Ikone bekommt damit erste Strahlkraft.
 links: dunkle Lasuren in braun und grün trennen den Boden vom Goldrand. Zuvor wurde der Boden in Richtung der Figuren stellenweise mit helleren Lasuren im Farbton erhöht.
rechts: die Bergkuppen werden in einem helleren Ton definiert.
 links: nochmals die Bergkuppen, welche ein zweites Licht erhielten. Nebenbei wurde durch deutlichere Ausarbeitung der Bruchkanten der Kontrast erhöht.
rechts: Die braunen Flügelspitzen werden sukzessive verstärkt und treten um so deutlicher vor dem Goldgrund hervor. Die roten Bögen wurden ebenfalls zum Goldabschluss hin mit dunklem Krapplack besonders betont. Hier und dort wurden bereits auch einzelne Faltenwürfe verstärkt.
Hier einmal wieder ei n Gesamteindruck der bisherigen Arbeit.

mitte: Das mit Goldlinien durchwirkte Gewand Christi wird mit kräftigen Lasuren modelliert. Ebenso der Engel und die zinnoberroten Bögen. rechts: ähnliches geschieht bei den rot/orangen Gewändern.
  
links: Die Gewänder der Engel hinter der Mutter Gottes werden zunächst mit dunklen Lasuren hervorgehoben. Mitte: die Falten der grünen Gewänder wurden skizziert. rechts: Die kleine Schriftrolle bekam Lasuren, Lichter und rote Bänder.
  
links / rechts: Skizzen der Figuren und Blau 1. Licht - und Blau 2. Licht. mitte: rotes Gewand erste Lichtfläche
  
links: Mutter Gottes, zweite Lichter mitte: rotes Gewand 1. Licht (dunkler!) - zweites Licht der blauen Gewänder rechts: rots Gewand: zweites Licht
Generell befinden wir uns jetzt in dem Prozess des Erhellens der Ikone. Die Farben werden zum Leuchten gebracht und die Faltenwürfe der Gewänder treten klar hervor.
 
links: Mutter Gottes rotes Gewand drittes Glanzlicht. Später wird eine rotbraune Lasur darüber gelegt, sodass die Farben gedämpft werden.
rechts: Die blauen Gewänder sind fertig. Jenes der Mutter Gottes bekommt später eine feine Lasur in blau darüber.
Eine Besonderheit der Aufhellungen hier im grünen Gewand. Das erste Licht wird dunkler (!) gewählt und an bestimmten Stellen, aber sehr frei aufgetragen (links). Erst im zweiten Schritt der Aufhellung (mitte), dem zweiten Licht wird ein deutlich hellerer Grünton gewählt, welcher sehr exakt aufgelegt wird. Jeder Pinselstrich wird vorher gedacht, im Inneren geschaut und dann mit feiner Pinselspitze ausgeführt. Korrekturen sind dabei nicht vorgesehen! Darum, so sagt man, ist das “Schreiben” von Ikonen ein fortwährendes Gebet in meditativer Haltung. Rechts: Sehr helle, kraftvolle Linien geben das letzte, das dritte Licht auf das grüne Gewand.

Ebenso bekommt das Grün der Bäume eine 3fache Aufhellung, jedoch ist es ein anderer Grünton als das der Gewänder.
rechts: ein kurzer Blick auf die bisherige Szene, welche an Lebendigkeit zunimmt.

rechts: Das zinnoberrote Gewand wird wieder auf eine ganz andere Weise angelegt als das grüne. Hier wird das erste Licht sehr genau, und in sehr feinen, transparenten Schichten mit vielen feinen Pinselstrichen aufgelegt. Das zweite und dritte Licht erfolgt mit präzisen, dünnen Linien.
Das Gewand des Petrus wird in drei Schritten aufgehellt. Normalerweise erfolgt die Aufhellung mit der Grundfarbe (des Gewands) plus weiß. Hier (wie bei einigen anderen Figuren) gibt es eine Variante, welche besonders gern benutzt wird, um eine gewisse Eintönigkeit auf Ikonen mit vielen Personen zu vermeiden. Die erste Aufhellung erfolgt hier in (einer gedämpften) Komplementärfarbe, nämlich ein graugrün.

Ebenfalls in Komplementäraufhellung wird das Gewand des Paulus ausgearbeitet.
Die erste “Aufhellung” erfolgt in einem verwaschenen graublau, auf dessen Flächen im Anschluss die zweite sehr viel hellere Aufhellung, und dann auf wenigen Stellen des zweiten Lichtes ein drittes, strahlendes Licht in gedämpftem Weiß aufgetragen wird.

Paulus (links) und Petrus (rechts) mit fertigen Gewändern. In ihrer Mitte die Mutter Gottes, welche nun eine Verfeinerung auf Ihrem Gewand erhalten wird.
 Hier wurden die Lasuren in unterschiedlichen Stärken (siehe Palette rechts) auf dem Gewand der Mutter Gottes ausgeführt. Besonders gut ist dies auf dem blauen Kleid zu beobachten. Im Vergleich zum vorherigen Bild (über der Trennlinie) ist jedoch auch gut zu erkennen, dass ihr roter Umhang (Maforio) brombeerrot gedämpft wurde. Eine gute Grundlage für die nun folgende Goldlinienmalerei.
 
links: Die drei Sterne der Gottesmutter stehen für ihre “Unbeflecktheit” vor, während und nach der Geburt Christi.
rechts: feine Goldfäden am Saum ihres Gewandes.
 
Goldlinien befinden sich auch auf den Flügeln der Engel.
Selbst die Baumstämme wurden damit hervorgehoben.
 Die Strahlen hinter dem in den Himmel aufgefahrenen Christus werden mit dunklem Ton unterlegt, bevor sie mit Muskovit-Goldpigment ausgearbeitet werden.
rechts: erste Goldlinien auf dem Bogen und dem Gewand Christi...
 
Sehr, sehr langsam weitere Goldlinien - behutsam, mit ruhiger Hand und einer Lupe...
Das Gewand ist fertig - ich fotografiere es noch einmal, da es hier nicht gut zu sehen ist - und der Strahlenkranz im Hintergrund in Gold hebt die Figur jetzt wunderbar vor dem tiefdunkelblau hervor.
 Die Ausarbeitung der Sarka (griechisch “Fleisch”, also die Hauttöne) beginnt. Jedes Detail findet jetzt Verwirklichung. Gearbeitet wird in unendlich feinen, fast durchsichtigen Schichten, die sich additiv zu kräftigeren Farben verstärken, aber eben auch sehr sanfte Übergänge zum Grundton (hier Kastanien/Olivenbraun) ermöglichen.
Zunächst ist die Malerei ein “meditatives Herantasten” zum gewünschten Gesichtsausdruck. Im folgenden eine Abfolge zum besseren Verständnis: links: allererste Pinselstriche... mitte: bis hin zu intensiveren Verstärkung rechts: die ultimative Verstärkung mit anschließender “Befeuerung”, einer zarten bis kräftigen Rötung
Übrigens: folgende Abbildung stellt vermutlich auch auf Ihrem Monitor, lieber Herr Zimmerl, schon eine ziemliche Vergrößerung dar. In Wahrheit haben die Köpfe maximal die Größe des ersten Gliedes Ihres kleinen Fingers.
. ..weitere Gesichter und Hände
Die Lasuren der Hauttöne werden, so könnte man es besser verstehen, nicht aufgemalt, es ist eher ein “mit einem sehr weichen Pinsel streicheln” der Hautstellen.
Diese Arbeiten erfordern eine Kopflupe und mehr als 4 Stunden täglich ist die Malerei nicht vorstellbar. Es werden also nur die “Sternstunden des Tages” dafür genutzt. Ferner ist eine innere Ausgeglichenheit Voraussetzung für gute Gesichtsausdrücke.
 
links und rechts: Arbeitsschritte bis Rötung fertig.

links: Das Augenweiß wird zunächst mit einer taubengrauen Grundierung angelegt und die Iris an die richtige Stelle für den benötigten Blick gestellt. Auch die Lippen (hier bartbedingst nur die Unterlippen) werden gezeichnet.
Im Folgenden werden die Augenlider, Pupillen und das Augenweiß gemalt. Diese Arbeit entscheidet über Blickrichtung und Ausdruck der Person - und weil meine Konzentration für heute erschöpft ist, geht es erst morgen weiter..
Für die Sarka: Nun bleibt es nicht bei dieser Rötung / Befeuerung. Im Folgenden werden noch zwei weitere Aufhellungen (Erhöhungen) einiger Stellen an Kopf, Hand und Fuß ausgeführt, um den Figuren noch mehr Ausdruck und Lebendigkeit zu geben, woraus gerade diese Ikone besonders ihren Reiz bezieht.
 
links: Gut zu vergleichen mit obiger Aufnahme: eine Hautverstärkung mit noch hellerem Aufhellungston. Die Augenlieder in Form zweier paraleller Linien verstärken den Blick, zudem das Augenweiß - noch fehlt die Pupille.
 
Ein näherer Blick in die Runde und auf das Antlitz Christi.
 

oben, rechts: die zwei Jünger - diesmal mit Pupillen - man sieht den enormen Unterschied. Im Folgenden - der letzte weiß-lastige Ton muss mindestens einen Tag trocknen, denn er schwächt sich Eitempera bedingst wieder etwas ab - bekommen die Hautstellen ihre dritten Lichter in Form paralleler, weißer Linien. Daher bekamen auch die Bergkuppen heute erst an manchen Stellen das letzte helle Licht.
 
fertige Haare und Bärte in grau und braun geben den Figuren ihr endgültiges Aussehen.
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Die Füße bekamen schlussendlich leichte Sandalen und der grüne Boden eine Anzahl Pflanzen.
Sehr geehrter Herr Zimmerl,
Ihre Ikone ist fertig und muss nun “reifen”, will sagen: trocknen und aushärten, was eine gewisse Zeit dauern wird, da ich in sehr feinen Lasuren gearbeitet habe, wie eine Ikone wie diese es erfordert.
Im Folgenden noch ein Vergleich - ein Versuch der Gegenüberstellung des Modells und der neu geschaffenen Arbeit. Jede Arbeit ist und bleibt ein Original. Beide Ikonen unterscheiden sich kaum in der Farbigkeit - auch wenn es die Fotos vermuten lassen, die unter unterschiedlichen Bedingungen zustande kamen.
Lediglich die Mandorla habe ich in der neueren Version in der Tat heller gemalt - es war mir anders nicht möglich, denn schließlich kopiere ich mich nicht selbst, sondern versuche, über mich hinauszuwachsen und es fühlte sich einfach richtiger an. Ansonsten unterscheiden sich die Farben nur, weil das Modell bereits gefirnisst ist, was die Farben in ihrer Tiefe mehr erstrahlen lässt. Selbiges wird auch mit Ihrer Ikone passieren.
 
links: die neue Anfertigung
rechts: mein Modell
Bei den “Schatten” auf den Vergoldungen handelt es sich lediglich um Reflektionen meines Ateliers, die sich leider nicht umgehen lassen.
Ja - sehr geehrter Herr Zimmerl,
Mit dieser Dokumentation hoffe ich, dass Sie ein noch innigeres Verhältnis zu Ihrer Ikone aufbauen konnten, da ich Ihnen die einzelnen Prozesse der Anfertigung einzeln vorführen durfte. Besonders für jemanden, der nie eine Ikone gemalt hat ist der erforderliche Aufwand, die Liebe und Hingabe an das Werk mit nur einem Blick auf das Endergebnis ansonsten auch wohl kaum nachvollziehbar. Mit meinen Fotos habe ich versucht, Ihnen einen lebendigen Eindruck zu verschaffen.
Über Ihre Anmerkungen zur Dokumentation würde ich mich darüber freuen. Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie sind gesund!
Ich grüße Sie in Christo Kirsten Voß
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