 DER BEGINN
rechts: der erste Auftrag. Ja, es sieht chaotisch aus und die Farbe deckt schlecht - ist aber dafür lichtecht höchster Güte! Also werden mehrere Schichten von diesem Ockerton aufgetragen.
Links: Die Hautfarbe wird aus den Farben ocker, schwarz und rot angerieben.
  
von links nach rechts: weitere Aufträge derselben Farbe solange, bis es deckend ist.
DIE TÄUBCHEN
  Die Farbe für die Täubchen wurde angerieben aus weiß, ocker und etwas schwarz und wieder in mehreren Schichten aufgetragen bis es deckt.
DAS GEWAND
unten: Gaaanz vorsichtig wird das orangefarbige Gewand in Licht gehüllt, denn ich möchte es transparent arbeiten, sodass die weiße Tafel viel “Licht” hindurch scheinen lässt. Dabei ist es wichtig, möglichst gleichförmig zu arbeiten und heftige Farbaufträge zu vermeiden.
   
 
... viele Schichten orange ... (hier nicht jede dokumentiert, weil der Unterschied marginal und auf Fotos kaum erkennbar ist).
rechts: Der fertige Umhang des Joseph.
DIE BLAUE TUNIKA
 
Die Farbe Tiefdunkelbau - angerührt aus schwarz und weiß - für die Tunika. Dies Farbe ist von sich aus schon sehr gut deckend und also langen zwei Schichten um eine deckende Oberfläche in tiefdunkelblau aufzutragen.

links: Der Rand in dunkler Farbe wurde angelegt. Damit sind alle Stellen der Tafel mit Farbe oder Gold belegt und die “Erschließung der Ikone” abgeschlossen. Übrigens ist das Gold so schön reflektierend gelungen, dass es wie ein Spiegel wirkt und Teile meines Ateliers im Hintergrund spiegelt. Manchmal spiegelt die Kameralinse im Bild, manchmal meine Hand / Gesicht usw. Ikonen zu fotografieren ist also äußerst schwierig. Aber jetzt wissen Sie ja Bescheid, woran es liegt, wenn das Gold auf dem Fotos mal so und mal so und mal sehr seltsam ausschauen kann.
DIE ZEICHNUNG
Im Folgenden werden einzelne Linien, die Zeichnung, herausgearbeitet. Dazu verwende ich sehr feine, transparente Pigmente, die in verschiedenen Tönen von Kirschrot über Braun bis Schwarz Anwendung finden.

 
Die Vorzeichnung des Kopfes und der Gesichtszüge dienen in erster Linie zur Herausarbeitung derjenigen Hautstellen, welche als Inkarnat (“Fleisch”) bezeichnet werden und dem Joseph seinen Ausdruck geben werden.
 Die feinen Lasuren (rechts) geben den einzelnen Farbschichten der Ikone am Ende noch mehr Ausdruckskraft. Auch zum Rand der Ikone hin werden dunkle Lasuren helfen, die Ikone besser auf die Tafel “einzufassen” um das Motiv nicht “wie abgeschnitten” aussehen zu lassen. Die Tauben bekommen etwas Figur.
Hier ein vergleichender Blick auf den Verlauf der Arbeit.
links: ohne Lasuren, rechts: mit Lasuren
Jetzt wurde auch in vielen kleinen Strichen der Heiligenschein per Hand als dünne Linie aufgetragen. Auch die Beschriftung der Ikone teilt jetzt der dargestellten Figur ihren heiligen Namen zu.
DIE LICHTER
 
links: Die blaue Tunika im ersten Licht. Spätere Lichter werden nur auf diesen Stellen des ersten Lichtes ausgeführt werden. Daher ist die Entscheidung, wo und wo nicht dieses erste Licht entsteht, entscheidend für den weiteren Verlauf. rechts: Hier wahrscheinlich aufgrund der Aufnahme nur schwer zu erkennen, aber auch die Tauben haben ihr erstes Licht erhalten. Erste (und folgende) Lichter entstehen in der Regel aus der zuvor angelegten Grundfarbe plus weiß. Das es Abweichungen von dieser Regel gibt, werden wir gleich sehen können.
 
Auf dem transparent gearbeiteten Orange wird das erste Licht in einer Art Komplementärfarbe aufgetragen, da ohne diesen Zwischenschritt weitere Aufhellungen auf der ohnehin schon recht hellen Fläche sehr wenig Ausstrahlungskraft bekämen. Also mache ich mit diesem Schritt nicht die zarten, transparenten Vorarbeiten zunichte (stellenweise vielleicht schon), sondern erzeuge damit - erst später sichtbar - eine viel ausdrucksstärkere Ikone. Auch hier gilt: Nur wo dieses - in diesem Falle dunklere - Licht entstand, können die nächsten Lichter in Erscheinung treten.
ZWEITE LICHTER
 links: Die Täubchen bekommen durch das zweite Licht weitere Form und Struktur. Später werden auch ihre Schnäbel und Nasenöffnungen noch farbig hervorgehoben.
rechts: Die blaue Tunika wird durch das zweite Licht allmählich kontrastreicher.
 
links: Das orangefarbige Gewand bekommt das zweite Licht, sodass nur wenig von ersten Licht übrig bleibt, dieser Rest aber die Strahlkraft dieses Lichtes erhöht.
rechts: noch einmal als ganze Ikone.
EINE KLEINE KORREKTUR
 Eine gute Zeit für eine kleine Korrektur, die mir während der stillen Betrachtungen auffiel. Mein erster Weg nach dem Aufwachen ist es nämlich, meine Arbeit vom Vortag noch einmal in Augenschein zu nehmen. Und genauso hat es sich vor dem zu Bett gehen eingebürgert: ein letzter Blick auf die getane Tagesarbeit. Dabei fallen mir kleinste Dinge auf, die sich zu gegebener Zeit korrigieren lassen. So auch hier: Das linke Auge saß ein klein wenig zu tief, genau genommen 1,5 mm, und auch ein wenig zu gerade. Und so habe ich die Zeichnung des Auges entfernt und neu skizziert (links), dabei wieder etwas Hautgrundton erneuert und farblich Auge, Lidfalte und Brauen noch einmal neu aufgebaut. Kleine Änderung - große Wirkung und jetzt bin ich mit dem Ausdruck sehr zufrieden (rechts).
 links: orangefarbiges Gewand, drittes Licht, die so genannte Erhöhung, gibt der Malerei letztendlich ihren Ausdruck, indem sie die Kontrastwirkung zu den dunklen Lasuren noch einmal um ein vielfaches erhöht.
rechts: selbiges gilt für die blaue Tunika. Da beide Farben - orange und blau - ebenfalls im Farbkreis einander gegenüberliegen, erhöhen sie gemeinsam ebenfalls den Kontrast und damit die Ausstrahlung der Ikone. Im Vergleich zur linken Abbildung, wo das Blau noch in der Vorstufe liegt, kann man rechts sehr gut die durch das dritte Licht hervorgerufene Wirkung erkennen.

links: Die Täubchen wurden auch ins dritte Licht gesetzt, zarte Federansätze noch einmal betont, die Augen und Schnäbel farblich hervorgehoben. Die Botschaft der Ikone liegt ja hauptsächlich auf ihnen, und daher wurde hier besonderen Wert auf sehr viel Licht gelegt.
 links: Ein Blick auf die ganze Ikone mit den bisherigen Arbeitsschritten.
rechts: Und nun endlich, lieber Herr Hoogervorst, Sie werden sicher bereits darauf gewartet haben, die “Verjüngung” des Hl. Joseph mit braunem Haupthaar und Bart. Bisher nur der Grundton, denn auch hier werden in mehreren Schichten drei Farbaufhellungen ausgearbeitet werden.
INKARNAT
 
...und eine kleine Ohrenkorrektur (links).
rechts: Die allerersten, zarten Fleischtöne werden eher empfunden als gemalt. Ebenso werden die Hände bzw. der Arm langsam in die Anschaulichkeit gebracht.
 links: immer mehr kommen die Erhöhungen des Gesichts ins Leben, bis die Struktur gleichmäßig, an manchen Stellen hauchzart transparent, an anderen Stellen fast deckend aufgebaut ist.
unten: eine Gesamtansicht bis hier.


links: nach einen Tag ein neuer, kritischer Blick auf die Arbeit und weiteres Ausbauen der Struktur
unten: Augenlider, Unterlippe und die Grundierung des Augenweiß sowie die Iris wurden bearbeitet.


links: Die “Befeuerung”, ein Rötung an bestimmten Stellen wurde aufgetragen. Ebenfalls mit sehr zarten Pinselstrichen, eher ein streicheln der Oberfläche und mit fließenden Bewegungen. Die Befeuerung macht das Antlitz lebendig.
DIE LETZTEN SCHRITTE
 
links: Die zweite Hautaufhellung gibt dem Gesicht weitere Struktur - ebenso (rechts) werden die Knöchelchen der Hände und die Spitzen der Fingernägel damit hervorgehoben.
Auch das Augenweiß ist hier zart vermerkt und wird später noch verstärkt.
 
links: Die Pupillen geben dem Heiligen Joseph endlich seinen Blick und bestimmen damit nicht unwesentlich den Ausdruck der Person.
rechts: Hier wurden die ersten Strähnen von Haar und Bart definiert. Dies geschieht am Schluss der Malerei, damit gewährleistet ist, dass das Haar nicht zu dominant im Verhältnis zum Gesicht erscheint. Das Haar dient eher einer Umrahmung des Antlitzes vom Heiligen.
 
links: Einige Haarsträhnen bekommen - so ist es die Malerregel byzantinischer Ikonen - zwei parallele Linien. Die Art und Weise der Gestaltung dieser Linien gibt dem Haar seinen Glanz. Hier braucht es Erfahrung und den nötigen Schwung im Pinsel.
rechts: Einige wenige Strähnen bekommen schlussendlich ein drittes Licht, um die Erhöhungen weiter zu betonen.

Am Ende der Malerei wird mit einer superdünnen Pinselspitze Glanzlichter auf den Erhöhungen der Haut in Form von parallelen Linien aufgetragen - ein Muss in der byzantinischen Malerei, welches so zart begonnen werden muss, dass diese Linien die Ausstrahlungskraft der Ikone unterstreichen, und diese nicht stören!
 
Schlussendlich - nachdem noch einmal diverse Umrandungslinien nachgezogen wurden und das Augenweiß verstärkt wurde - wird die Ikone unterzeichnet. Zu lesen ist in griechischer Sprache: Handgemalt, Ch. Voß 2017 (Ch steht für Christina, welches mein Taufname wurde). Diese Unterzeichnung erfolgt in unpersönlichen Lettern, also ganz anders, als ein Dali seine Werke unterschrieb, denn nicht das Ego des Malers steht hier im Vordergrund, sondern die Hingabe an die geistige Führung. Und so heißt es auch nicht “handgemalt”, sondern genau “durch die Hand des/der”, was zum Ausdruck bringt, dass die Ikone im Kontakt mit dem Großen Ganzen, mit Gott, dem Alles-was-ist entstanden ist. Links sehen Sie, lieber Herr Hoogervorst, Ihre fertige Ikone.
Diese letzten Schritte sind in allerhöchster Präzision entstanden, wobei mir meine Stirnlupe gute Dienste leistete.
Ich grüße Sie! in Christo. Kirsten Voß
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